Die Tankstelle der Zukunft

Retro Tankstelle

Die Tankstelle der Zukunft – Wie alles begann

Im letzten Herbst habe ich den Film 25 km/h gesehen. Zwei Brüder im fortgeschrittenen Alter entscheiden sich, einen alten Jugendtraum zu realisieren: Quer durch Deutschland, mit dem Mofa. Die Reise startet im Schwarzwald, die Tankstelle oben im Bild spielt dabei eine Rolle.

Als ich nun letztens selbst an einer älteren Tankstelle stand und meinen Gedanken nachging, da kam mir dieses Bild wieder in den Sinn. Und ich begann, über die Geschichte der Tankstellen nachzudenken.

Es war das Jahr 1888 als Bertha Benz mit dem Patent-Motorwagen und ihren beiden Söhnen, Eugen und Richard, die erste Überlandfahrt von Mannheim nach Pforzheim antrat. Ohne das Wissen ihres Mannes. Man stelle sich vor, wie emanzipiert Bertha für damalige Verhältnisse war. Tankstellen gab es damals noch nicht, waren doch fast alle noch mit Pferd und Wagen unterwegs. Und dennoch musste der Patent-Motorwagen betankt werden. Als erste „Tankstelle“ diente eine Apotheke, in der Bertha 10 Liter Leichtbenzin kaufte, um den Wagen zu betanken. Leichtbenzin benutzte man damals vor allem für Reinigungszwecke.

Die Tankstelle der Zukunft – Wie ich sie als Kind und Jugendlicher erlebte

Als Kind bin ich häufig mit meinem Vater zur Tankstelle gefahren. Irgendwie hat mir der Geruch von bleigeschwängertem Benzin gefallen. Damals kam der Tankwart oft noch zum Auto und hat es betankt. Kundenservice wurde gross geschrieben. Nicht selten reinigte der Tankwart auch noch die Frontscheibe und die Scheinwerfer. Bezahlt wurde meistens mit Bargeld. Der Innenraum der Tankstelle war spartanisch eingerichtet. Oftmals grenzte an die Tankstelle noch eine kleine Werkstatt, der Tankwart amtete auch noch als Mechaniker. Süssigkeiten, Zeitschriften, Cafe-to-go und Lebensmittel? Fehl am Platz. In der Tankstelle konnte man Eiskratzer, Ersatzbirnen, Türschlossenteiser und Motorenöl kaufen, das war’s. So verdiente der Tankwart das meiste Geld mit dem Verkauf von Diesel und Benzin. Und mit gutem Kundenservice. Geöffnet war die Tankstelle bis 19h. 1980 dann war fast jede zweite Tankstelle in Deutschland eine Selbstbedienungstankstelle. An ihnen wurden 80% des Treibstoffes abgesetzt. Damit war das Ende der Bedientankstelle eingeläutet. Der Tankwart als Beruf begann zu dieser Zeit auszusterben.

Sodann nannten sich die Betreiber einer Tankstelle Tankstellenpächter. Sie begannen das Sortiment sukzessive auszubauen. Zum Kernsortiment – Diesel. Benzin, Autozubehör und Schmierstoffe – gesellten sich mehr und mehr Kioskartikel wie: Süssigkeiten und Getränke. Zeitschriften und Zigaretten und im Sommer Eis. Und wenn es die Grösse zuliess, wurde noch eine Waschstrasse angebaut. Die kleinen Werkstätten im Hinterhof nahmen mehr und mehr ab. Die Tankstelle wurde liebevoll „Die Tanke“ genannt.

Die Tankstelle der Zukunft – Wie es heute aussieht

Die heutigen Tankstellen haben sich mittlerweile zu convenience stores bzw. echten Supermärkten gewandelt. Das eigentliche Tanken ist nur noch Nebenschauplatz. Das Sortiment umfasst Briefpost- und Paketdienstleistungen, Geschenke, frisches Brot, und wenn es der Platz zulässt, ist noch ein Bistrobereich vorhanden. Der Tankvorgang indes dauert nur kurz und zu den Hauptverkehrszeiten stehen die Kunden Schlange. Das Sortiment will gut ausgewählt und die Schnelldreher an den richtigen Orten platziert sein. Der Kunde verweilt nur kurz, er soll aber möglichst viel einkaufen, unter Zeitdruck. Die Öffnungszeiten sind stark ausgedehnt worden. Somit ist die Tankstelle nicht selten der letzte, spätabendliche oder frühmorgendliche Stop auf dem Weg nachhause. Und für einige sogar der Treffpunkt für ein Feierabendbier.

 

Die Tankstelle der Zukunft – Quo Vadis

Und nun ist sie da. Die Energiewende, die uns alle vor grosse Herausforderungen stellt. Und auf den Strassen fahren Elektroautos, die sich mehr und mehr durchzusetzen scheinen. Ihr Anteil an den Neuzulassungen hat sich im Jahr 2021 in Deutschland auf knapp 14 Prozent fast verdoppelt. Wasserstoff? Noch fehl am Platz. Das heisst, dass sich die Tankstellen neu erfinden müssen. Doch was verändert sich genau?

1. Der Tankvorgang dauert länger
Während die Betankung eines Autos mit Kraftstoff im Schnitt 5 Minuten dauert, sind es bei einem Elektroauto 20 Minuten und mehr. Je mehr Elektroautos auf den Strassen fahren, desto mehr müssen zum aufladen kommen. Dies wird bei den derzeitigen Ladezeiten zu Staus führen an den Tankstellen. Dies heisst dann:

2. Mehr Platzbedarf an den Tankstellen
Hier sind sicherlich Tankstellen im Vorteil, welche noch über Landreserven verfügen bzw. schon eine bestimmte Grösse erreicht haben. Sollte der Trend zum Home-Office anhalten, dann wird es insgesamt mehr Immobilien-Leerstände geben, welche dann zum Beispiel zu Ladestationen mit ergänzenden Angeboten umfunktioniert werden können.

3. Neue angebotene Serviceleistungen
Kunden, die ihre Elektroautos aufladen, müssen dafür mehr Zeit einrechnen. Eine Chance für Anbieter von Produkten und Dienstleistungen, sich an diesen neuen Kontaktpunkten zu positionieren und entsprechende Kundenerfahrungen zu generieren. Denkbar sind so zum Beispiel: Friseurtermine für Kurzhaarschnitt, Termine für Dentalhygiene, Vermögens– und Gesundheits-Checks, Massagen oder auch neue Formate wie z.B. eine Bibliothek der Dinge (siehe hier).

 

Ausblick

Bis es so weit ist, dass Tankstellen keinen Kraftstoff mehr verkaufen, wird es wohl noch ein paar Jahre dauern. Und auch die Ölkonzerne schauen nicht einfach tatenlos zu. So hat zum Beispiel Shell bereits Anfang 2021 das Unternehmen Ubitricity, einen der größten europäischen Anbieter für elektrische Ladeinfrastruktur, übernommen.

Die grosse Chance für Unternehmen ist in der längeren Verweildauer der Kund:innen zu sehen, welche in echte Kundenerfahrungen überführt werden können. Der Kunde hat Zeit, diese gilt es zu nutzen. Es entstehen neue Kundenkontaktpunkte, die optimal bespielt werden wollen, mit einem echten Mehrwert für den Kunden. Servicegedanke, Beratungsqualität, Kundenerlebnis und Kundenzufriedenheit zählen mehr und mehr.

Die Geschichte von Tesla erinnert sehr stark an dieses Zitat: „Alle sagten: Das geht nicht. Dann kam einer, (der wusste das nicht) und hat es einfach gemacht.“ Und nun eröffnet sich plötzlich die Chance, neue Dienstleistungen rund um das Aufladen des Elektroautos zu platzieren.

Wenn auch Sie Ihre Kundenkontaktpunkte, den Kundendialog und die resultierende Kundenerfahrung für Ihr Unternehmen beleuchten und verstehen wollen, dann sollten wir uns kennenlernen. Hier können Sie weitere spannende Beiträge in meinem Blog lesen und gerne mit mir in Kontakt treten. Ich freue mich auf Sie!

Ihr Alexander Linder

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